Aufgrund aktueller Sichtung wurde dieses Review aus dem Archiv übernommen und hier sauber formatiert. Möglichweise wurden einige Passagen überarbeitet und die Wertung nach aktuellen Maßstäben noch einmal korrigiert.

Inhalt

Irgendwo in Ostdeutschland. Marisa ist 20, arbeitet im kleinen Supermarkt ihrer Mutter und hängt in ihrer Freizeit mit ihren rechten Freunden ab. Sie ist eifersüchtig als ein neues Mädel in die Gruppe drängt und wütend darüber, dass Ihr Freund im Knast sitzt. Ihre Aggressionen lässt sie an zwei ausländischen Flüchtlingen heraus – bereut ihre Tat alsbald und denkt verstärkt über ihr bisheriges Tun nach…

Fazit

Auf die Sichtung von „Kriegerin“ habe ich mich sehr lange gefreut. Die ganzen Vorberichte im TV und Internet haben eine gewaltige Erwartungshaltung aufgebaut, doch leider lief das gute Stück in keinem Kino der näheren Umgebung. Die Thematik bei der eine weibliche Rechtsextreme im Vordergrund steht, ist unverbraucht und dabei authentisch zugleich. Immer dreht es sich um die „starken“ Männer und deren Damen waren nur schnödes Beiwerk – doch hier liegt der Focus voll und ganz auf der exzellent gespielten Marisa mit der man sich sogar als Mann halbwegs gut identifizieren konnte.

Die Geschichte ist so gut geschrieben, wie spannend und vor allem jederzeit unterhaltsam erzählt. Der Betrachter klebt förmlich am Bildschirm und wird voll und ganz vom ausgezeichneten Auftritt von Alina Levshin in den Bann gezogen. Sie agiert so extrem glaubhaft und stielt allen anderen Akteuren die Schau. Obwohl im Grunde alle Rollen gut besetzt und sehr gut verkörpert wurden, verdient Levshin das größte Lob meinerseits. Das Spiel geht unter die Haut und vor allem kann man die Probleme im Elternhaus, im Job und mit dem Freundeskreis vollkommen nachvollziehen. Man will ihr keinen Vortrag halten und versucht die Hintergründe zu analysieren und lernt sie schnell zu verstehen.

Obwohl die Story – wie bereits erwähnt – gut geschrieben ist, kommt sie dennoch nicht ganz ohne kleinere Klischees aus. So ist die Darstellung der rechten Partys ein wenig überzogen wild, der alte Anführer der Meute viel zu schleimig und abstoßend präsentiert. Hier hat man nicht den erwarteten Verführer abgelichtet, sondern einfach einen widerlichen Typen – bei dem man sich schwer die Begeisterung der Jugend für ihn oder seine Themen vorstellen kann. Da war die Figur von Marias Opa wesentlich besser gezeichnet, wenngleich seine Parts etwas zu kurz kamen.

Gut allerdings die sichtbare Ablehnung von Drogenkonsum innerhalb der Gemeinschaft, die der Zuschauer hoffentlich nicht nur aus Handlungsgründen wahr nimmt. Dieser Faktor wird eigentlich nie besonders heraus gestellt und wird wahrscheinlich auch nie so bewusst von der Gesellschaft wahr genommen. Positive Aspekte in dunklen Bereichen hebt man eben nicht gerne hervor. Perfektes Fingerspitzengefühl.

Leider wirken die Outfits der Jugendlichen mitunter etwas seltsam – erwartet man vielleicht doch eher typische Szenekleidung, die in den Kreisen doch sehr beliebt ist und zum festen Bestandteil gehört. Der Gammellook einiger Darsteller wirkt eher etwas laienhaft und unfreiwillig komisch. Man wollte diversen Bands wohl keinen Werberaum verschaffen (deshalb wurde auch die Musik extra für den Film komponiert und nicht von zweifelhaften Musikern „abgekauft“), doch ein wenig leidet die Atmosphäre darunter. Die Stücke waren extrem schwach.

Toll hingegen dann wieder die Detailverliebtheit bei den Tätowierungen unserer Charaktere. Ich würde sagen, dass die Motive mit großer Sorgfalt ausgewählt wurden und man sich auf jeden Fall Gedanken über deren Ausdruckskraft und Platzierung gemacht hat. Sie verschärfen die provokative Gangart, wirken dennoch fast künstlerisch angebracht. Mag jetzt etwas bizarr klingen, aber irgendwie tragen sie einen wichtigen Part zum Gesamtbild bei.

Abgesehen von kleineren Ungereimtheiten bei der Darstellung mancher Figuren oder Situationen macht Regisseur Wnendt alles richtig und liefert einen ganz starken deutschen Beitrag vom Thema Rechtsextremismus ab. Eine brachial agierende Alina Levshin sorgt für Gänsehaut und wertet den Streifen immens auf – macht ihn sogar zum Must-See für alle Interessierten. Hier wird nachvollziehbar und verständlich argumentiert, keine plumpen Parolen gegen Rechts verbreitet. Dieser Umstand hebt das gute Stück aus einer – doch relativ überschaubaren Maße heraus – und beschert uns doch tatsächlich einen der besten deutschen Filme der letzten Jahre.

8/10

Fotocopyright: Ascot Elite