Einleitung

Kann eine Soundbar wirklich einen AVR mitsamt umfangreicher Boxenbestückung ersetzten? Wenn es nach den Werbetextern geht schon, doch in der Realität sieht die Sache leider (nach wie vor) etwas anders aus…

Ausgangssitutation

Ich habe mir ein neues Sideboard gekauft, welches den vorhandenen Marrantz-Receiver leider einen Ticken zu hoch hebt und eine Kollision mit meiner Leinwand verursacht. Bei Ultra-Breitbild ist dies kein Problem, doch bei normalen 16:9 Werken muss das Tuch weiter nach unten und verknickt vor dem AVR. Da ich mit meiner Creative-Soundbar im Arbeitszimmer recht zufrieden bin und schon den ein oder anderen Film damit geschaut hatte, wollte ich das Experiment im Wohnzimmer wagen: eine einzige Soundbar soll mein 9.1 Setup ablösen, Platz schaffen und hoffentlich nicht zu viele klangliche Abstriche mit sich bringen. Nach diversen Testberichten und Videos bin ich letztlich bei der Bose 900 gelandet.

Lieferumfang

Die Soundbar bringt optisches Kabel, HDMI-Kabel, Stromzufuhr und Einmess-Mikrofon mit sich. Weitere Lautsprecher oder der Subwoofer müssen separat erworben werden.

Anschluss & Inbetriebnahme

Strom & HDMI rein, App auf dem Smartphone geladen, zunächst ein Update (rund 20-25 Minuten, ohne Fortschrittsanzeige!) gemacht und die ersten Töne kamen aus dem Gerät. Dann das Mikro (in Kopfbandform) auf den Schädel gesetzt und die automatische Einmessung gestartet. Bis dahin kinderleicht, doch die wahren Fallstricke sollten dann erst in Erscheinung treten…

Dolby Atmos nur via eARC

Mein rund 2,5 Jahre alter 75″ LG-TV ist zu alt bzw. wurde damals beim auf nicht auf die richtigen Standards geachtet. Der Schirm kann zwar 4K, HDR und allen restlichen Schnickschnack (darauf habe ich Wert gelegt), aber kein eARC, sprich: er gibt über HDMI leider nur Stereo und normales Dolby Digital jedoch keine höherwertigen Signale wie Atmos aus. Bei normaler HDMI-Zufuhr (z.B. direkt aus dem 4K Blu-Ray Player oder der Konsole) bleibt die Soundbar stumm. Man scheint also zwingend einen echten ARC (HDMI mit Rückkanal) Anschluss zu benötigen und erst dann nimmt das Teil die Geräusche entgegen Durchschleichen wie bei anderen Bars ist sowieso nicht drin, da es nur einen einzigen Eingang (aber keinen Ausgang) gibt. Schlecht, aber zum Teil im Vorfeld bereits bekannt – wobei ich von einer Ton-Einspeisung via HDMI-Splitter (ohne ARC) ausgegangen war.

Mit optischen Kabel ist ebenfalls maximal Dolby Digital und nicht einmal DTS (was die Bar bei mir sowieso nicht dekodierte) drin. Player und Konsole müssen also auch zwingend auf PCM oder Dolby Digital (max 5.1!) stehen, sonst gibt die Bose keine Töne von sich.

Der Klang

Bei meinen Atmos-Test-Blu-Rays zeigt die App zwar entsprechend „Atmos“ an – doch wir wissen, dass dies wohl künstlich generiert und nativ ist. Wie dem aber auch sei, weder bei diesen Trailern, noch bei Spielfilmen mit verschiedenen Tonformaten (wohlgemerkt bei DTS, DTS-HD Master, etc. blieb die Soundbar stumm) konnte die Ausgabe nicht vollends überzeugen.

Die Soundbar klang erwartungsgemäß frontlastig und wenig dreidimsional. Manchmal hatte man das Gefühl, dass beispielsweise Hubschrauber aus der Mitte nach oben aufsteigen, doch nach geringer Höhe war dieser Effekt schon wieder weg. Gleiches gilt auch bei seitlichen Effekten. Immer wenn man denkt, dass etwas zur Seite wandert (oder von der Seite kommt) verpufft dieser Eindruck auf halber Strecke. Kniffelig zu beschreiben, muss man sich irgendwie vorstellen.

Gut hingegen die Sprachverständlichkeit und der angenehme Bass. Für krachende Blockbuster fehlt es hier an Bums, doch fürs normale Schauen ist der Bass angenehm spürbar und nicht zu dominant. Durch eine spezielle Einstellung in der App kann zudem die Sprache besonders optimiert werden, was zu einem guten und klaren Ergebnis führt. Einige Reviewer beklagten den künstlichen Touch der Stimmen, doch ich fand es soweit in Ordnung. Die Lautstärke ist ebenfalls ausreichend, in meinen Tests habe ich mein Wohnzimmer (zirka 3,5m auf 5m) auf halber Stellung souverän beschallen lassen.

Positiv

  • ausgewogener Klang
  • gute Sprachverständlichkeit
  • angenehmer Bass
  • elegantes Design
  • hochwertige Verarbeitung
  • einfache Bedienung

Neutral

  • Bass könnte hin und wieder heftiger sein
  • Fernbedienung fühlt sich nicht hochwertig an
  • App zeigt kein Fortschrittsbalken bei Update an

Negativ

  • nur 1 HDMI Eingang und ARC für Input erforderlich
  • kein DTS-Decoding
  • Raumklang-Effekt so gut wie nicht vorhanden
  • Preis-/Leistung dürftig

Fazit

Ich habe keine Wunder, aber eine wesentlich bessere Performance erwartet. Die Bose 900 klingt schon gut, aber ehrlich gesagt kaum besser als die integrierten Boxen meines TVs – der aufgrund seiner Größe stellenweise noch mehr 3D-Sound als dieses Produkt erzeugen.

Zum reinen Fernsehschauen ist die Soundbar prima, aber einfach zu teuer. Da meine vorhandene Anlage mitsamt 9.1-Setup das Ding dermaßen an die Wand spielt, ist von einem Ersatz (mit fest einkalkulierten Abstrichen) nicht zu sprechen.

Vielleicht schaue (und höre) ich mir noch ein paar Konkurrenzprodukte an, doch meine Erwartungen sind nun eher gedämpft. Als Ton-Aufbesserer für die meisten Bildschirme mag die Bose einen guten Job machen, doch mangels Erfahrung kann ich auch keine Alternativen empfehlen. Für mich reicht das Gebotene nicht aus, um knappe 760 Euro (Stand 09/22) zu rechtfertigen und den grundsätzlich brauchbaren Standard-Sound des TVs abzulösen – vom dicken AVR ganz zu schweigen…

Preis-/Leistung: ausreichend

Zum Test hatte ich zwei Bose 900 Soundbars im Haus. Die erste hat sich direkt beim initialen Update aufgehängt und war mit sämtlichen Tipps aus dem Internet nicht wieder zu beleben, die zweite hatte schon beim Auspacken auffällige Gebrauchsspuren und der HDMI-Anschluss schien gar nicht zu funktionieren. Ich lasse diese Umstände nicht negativ in die Bewertung einfließen, wollte es bei dem gehobenen Kaufpreis dennoch nicht unerwähnt lassen.