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Lange hat der Fronturlaub am Strand nicht gedauert, als die 6. Armee unter neuer Führung in den Kessel von Stalingrad abkommandiert wird. Anfänglich ist der Trupp noch recht zuversichtlich und glaubt an einen baldigen Sieg, doch schon bald holt sie die traurige Realität in der Schlacht an der Wolga ein…

Fazit

Aufgrund von Erfahrungen im Bekanntenkreis habe ich schon oft erwähnt, dass deutsche Filme immer eine Sache für sich sind und nicht unbedingt den besten Ruf bzw. den größten Fankreis haben. Meist bin ich bei hiesigen Werken auch etwas skeptisch, doch im historischen Bereich eigentlich immer sehr zufrieden gewesen – was seit meinen jüngeren Jahren insbesondere auch bei „Stalingrad“ zutraf.

Joseph Vilsmaier schuf hier ein Meisterwerk, welches sich insbesondere von seiner Erzählsicht deutlich von Konkurrenten aus beispielsweise der Traumfabrik von Hollywood unterscheidet. Hier erleben hier keine strahlenden Helden, sondern normale Familienväter, Brüder, einfache Bürger von Nebenan. Fast Niemand handelt hier aus vollster Überzeugung, sondern schlichtweg weil es Pflicht ist und die Hoffnung auf das Ende der Strapazen stets in Aussicht steht.

Unterstrichen wird die starke Betonung auf die menschliche Seiten der Soldaten durch Dialoge, die es wahrlich in sich haben und zum Teil an Sarkasmus und Weisheit nicht zu überbieten sind. Viele Charaktere zeigen unter Stress ihr wahres Gesicht und selbst die härtesten Typen offerieren eine zerbrechliche Seite. Man beobachtet den stetigen Zerfall eines optimistischen Lebens und gerät an vielen Stellen arg über alle Vorkommnisse und Entwicklungen ins Grübeln.

Das starke Konzept funktioniert natürlich nur, weil die grandiosen Darsteller auf ganzer Linie überzeugten und nicht selten rein durch Blicke und Gestiken für Gänsehaut sorgen. Im Grunde sollte man jeden einzelnen Akteur aufs Höchste loben, doch ein überragender Thomas Kretschmann wuchs hier über sich hinaus und konnte bis dato nie mehr so glänzen, wie es hier der Fall war. Noch heute bekannte Gesichter aus der TV-Landschaft lieferten hier beeindruckende Auftritte ab, die man so nie von ihnen erwartet hätte. Jede kleinste Rolle wurde sorgfältig besetzt und ebenso überwältigend gespielt.

Die Effekte waren beachtlich und machen auch heute noch eine hervorragende Figur. Die Schauplätze wirken weitläufig, kalt und trostlos. Mit relativ einfachen Mitteln wurde eine tolle Atmosphäre geschaffen, die noch immer sehen lassen kann und noch nicht durch schwache Computereffekte aus der Entstehungszeit durchsetzt wurden. Alles schmeckt nach guter Handarbeit, selbst errichteten Kulissen und tollen Maskenbildnern. Dazu gesellt sich das geschickte Einbinden historischer Reden und einem epischen Soundtrack, der brenzlige Situationen gekonnt mit Gänsehautstimmung unterstreicht.

Mit knapp über zwei Stunden ist die Laufzeit nicht von Pappe, aber durch ihre dichte Erzählweise und den interessanten Figuren nie langweilig. Es gab sogar vergleichsweise wenig Action, dafür extrem wuchtige Konversationen und nicht minder unterhaltsame Einblicke in das Wesen der Charaktere. Diese Tiefe macht sogar vor dem Finale kein Halt und zerstört seinen nachdenklichen Touch nicht mit aufgesetztem Krawall oder überzogenem Pathos. Man verabschiedet sich eher still vom Zuschauer und fuhr damit genau richtig. Auch eingeblendete Texttafeln waren sehr kompakt und beschäftigten nicht mit ellenlangem Lesen.

Ich kann verstehen, wenn man von deutschen Filmen – insbesondere wenn es zum das Thema Zweiter Weltkrieg geht – die Nase voll haben kann, doch dieses Genre ist einfach unsere große Stärke. Neben „Das Boot“ oder „Der Untergang“ zählt „Stalingrad“ zu den absoluten Pflichttiteln und sollte eigentlich von Jedermann zumindest einmal gesehen werden. Selten wurde das echte Soldatenleben so präzise und unheroisch portraitiert und selten konnte man sich so intensiv in dramatische Schicksale hineinversetzten. Wie kaum ein anderes Werk, schildert „Stalingrad“ eine Sinnlosigkeit, ein verbissenes Festhalten und eine Verblendung – die auch inszenierungstechnisch noch immer unter die Haut geht und den Kopf noch weit nach seiner Sichtung auf Trapp hält. Ein grandioses Kinoerlebnis und definitiv eine der Referenzen beim deutschen und beim internationalen (Anti-)Kriegsfilm überhaupt.

9/10

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